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  • AutorenbildSC Konstanz-Wollmatingen e.V.

Triumph der Außenseiter! Als die A-Jugend des FC Konstanz vor 70 Jahren Süddeutscher Meister wurde


Am 16. August 1953 gewannen die Junioren vom Bodensee ihr Finale gegen die favorisierten Kickers aus Offenbach. Drei der fünf noch lebenden Spieler erzählen von einem besonderen Titelgewinn.

Die A-Jugend des FC Konstanz, die am 16. August 1953 Süddeutscher Meister wurde, mit (stehend von links): Winfried Riegel, Eberhard Schwarz, Kurt Schätzle, der südbadische Verbandsjugendwart Adam Zorn, Sigi Schmidt, Harald Stier, Manfred Lieb, Roland Faigle, Achim Stocker, Rolf Benz, Hans Filleböck, Trainer Fritz „Pi“ Schneider. Vorne (von links): Martin Mono, Günther Bernhard, Herbert Geiser. | Bild: privat


Deutsche Fußball-Meisterschaften im herrlichen Lampertheimer Stadion“, sagt eine kratzige Stimme auf der Schallplatte. Sie gehört dem 1997 verstorbenen Sportreporter Ludwig Maibohm, der seine Zuhörer mit auf eine Zeitreise nimmt.


Der 16. August 1953, ein besonderer Tag

Zurück zum 16. August 1953, als auf den Tag genau heute vor 70 Jahren die A-Jugend des FC 1900/VfR Konstanz die Süddeutsche Fußball-Meisterschaft gewinnt. Wer die legendäre TV-Reportage Herbert Zimmermanns vom WM-Sieg 1954 kennt, kann sich Maibohms Stimme gut vorstellen, mit der er den Triumph der Konstanzer für die Nachwelt festgehalten hat – mit rollendem R und auf Schellack gepresst.

Auf dieser Schallplatte ist der Originalkommentar des Endspiels zu hören. | Bild: privat

Eberhard Schwarz, Kurt Schätzle und Winfried Riegel sitzen im Sommer 2023 auf der Terrasse des Konstanzer Waldheim-Sportplatzes. Sie sowie Manfred Lieb, der aus gesundheitlichen Gründen nicht dabei sein kann, und Martin Mono, der inzwischen in Heidelberg lebt, sind die fünf letzten Überlebenden der Mannschaft, die damals in Hessen den Titel gewann – zur großen Verblüffung im Stadion, wie auf dem Tonträger zu hören ist.


Drei Meisterspieler (von links): Eberhard Schwarz, Kurt Schätzle, Winfried Riegel | Bild: Feiertag, Ingo

„Und liebe Sportfreunde, zur allgemeinen Überraschung führen nicht die favorisierten Offenbacher, sondern die kleine Konstanzer Mannschaft liegt mit 2:1 Toren in Führung. Und der Objektivität halber müssen wir sagen, mit Recht in Führung“, spricht Reporter Maibohm ins Mikrofon.

Das ist nichts Neues für Schwarz, Schätzle, Riegel und ihre Mitspieler. Sehr oft seien sie unter dem Radar geflogen, sagen die drei aus dem „Club der Achtziger“, wie sie sich scherzhaft nennen. Zu einer Zeit, als noch keine Scouts sämtliche Details aller halbwegs talentierten Nachwuchsspieler kennen, entwickelt sich diese Elf ganz im Süden der jungen Bundesrepublik in aller Ruhe. „Wir waren alles Straßenkicker, haben schon als Buben zusammen gespielt“, sagt der 89-jährige Kurt Schätzle, damals der Älteste im Team.


Die A-Jugend des FC Konstanz 1953. | Bild: privat

Auf Bezirksebene ist die Mannschaft für sämtliche Gegner zu stark. Und das, obwohl keine Spieler aus der erweiterten Region zu ihr gehören. „Wir waren alle waschechte Konstanzer, das waren andere Zeiten. Es gab außer Fußball nix“, sagt Eberhard Schwarz, heute 86 und vor 70 Jahren der Jüngste der Meister. Selbst Besuche im Freibad „Hörnle“ hätten oft in Trainingseinheiten geendet. „Geld hat keine Rolle gespielt“, erklärt Schwarz. „So eine Mannschaft gäbe es heute nicht mehr, alle wären bei größeren Vereinen. Und auf der Tribüne würden lauter Manager sitzen.“

Zum Zuschauen gezwungen

Zurück ins Jahr 1953. Maibohm ist begeistert von den Spielern in Grün-Weiß. „Die A-Jugend, das heißt also die 18-Jährigen, haben einen Fußball gezeigt, der sich getrost mit den Großen sehen lassen kann“, sagt er. „Übrigens wollen wir noch erwähnen, dass so mancher dieser Jugendlichen bereits seinen eigenen Stammverein in der ersten Mannschaft tatkräftig unterstützt.“

Ein Konstanzer muss an diesem Augustnachmittag 1953 darunter leiden, daran denkt er heute noch. Achim Stocker, der spätere Präsident des SC Freiburg, und Rolf Benz spielen zu jener Zeit bereits für die Konstanzer Männer, unterstützen den Nachwuchs aber extra im Finale um die Süddeutsche Meisterschaft. Und Stammspieler Winfried Riegel muss gegen Offenbach zuschauen. Auswechslungen sind vor 70 Jahren noch nicht erlaubt.

Erstaunlich ist, dass sich aus dem Kreis der Süddeutschen Meister später neben Stocker und Benz nur Manfred „Kolbe“ Lieb, der 29 Mal für die südbadische Amateur-Ländermannschaft aufläuft, und Herbert Geiser bei den Erwachsenen durchsetzen können. Für Eberhard Schwarz kommt nach einem Jahr bei Eintracht Frankfurt das frühe Karriere-Ende mit 23 Jahren.

Schätzle verliert den Anschluss

Als sein Vater stirbt, übernimmt er dessen Unternehmen, trainiert noch die zweite Mannschaft und spielt Tennis. Kurt Schätzle verliert nach einer schweren Muskelverletzung den Anschluss und findet in der Reha Gefallen an Bergsteigen und Skifahren. Auch Winfried Riegel muss aufhören. „Es war ein Pressschlag gegen Keller von Gottmadingen.“

Die A-Jugend des FC Konstanz 1953. | Bild: privat

In Lampertheim, in der Blüte ihres Könnens, führen die Kicker vom Bodensee weiter mit 2:1 gegen Offenbach und haben gute Chancen. „Die Konstanzer überraschen, mit welchem Angriffsgeist, mit welcher Elastizität sie sich hier auf dem schwammen Boden durchsetzen“, krächzt der Kommentator auf der Schallplatte. „Wir müssen dazu erwähnen, dass so mancher der Zuschauer hier nicht gewusst hat, dass er ein so herrlich durchgeführtes und vor allem an Leistungsniveau hochstehendes Turnier vor sich fand.“

Vor dem Finale sind sie, wie vor so vielen Spielen, in die Kirche gegangen. „Unser Trainer Fritz Schneider, der in englischer Gefangenschaft war, legte großen Wert darauf“, sagt Eberhard Schwarz, der 1955 nochmals süddeutscher A-Jugend-Vizemeister wird. Schneider, den alle nur Pi nennen, ist Lehrer, Jugendleiter und Trainer. Er hat seine Jungs ideal auf den Gegner eingestellt, was mit Manfred Liebs Treffer zum 3:1 belohnt wird. „Flanke vor das Tor! Kopfball! Und Tor, Tor, Tor. Schiedsrichter Bernbeck entscheidet auf Tor. Das war der dritte und spielentscheidende Treffer. Und glücklich umarmen sich die Konstanzer“, heißt es auf der Schallplatte des Hessischen Rundfunks.

Meisterfeier mit Luftballons

Auf dem Heimweg machen die Meisterkicker mit dem Bus einen Stopp in Heidelberg. „Wir haben bei einem Fest gehalten und Ballons gekauft wie kleine Kinder“, sagt Eberhard Schwarz. „Als wir in Konstanz angekommen sind, waren wir alle heiser.“ Auf dem Stephansplatz wird das Meisterteam „überwältigend“, so Winfried Riegel, von Fans und Stadtkapelle empfangen. Als Geschenk gibt es vom Verband eine Brieftasche und Unterhosen von Schiesser sowie Anstecknadeln, erinnert sich das Trio – 70 Jahre später am Waldheim.

Hier treffen sie sich noch immer donnerstags mit anderen betagten Ex-Fußballern des FC Konstanz. Heute wird ein schicker, neuer Kunstrasen verlegt. Dort, wo Eberhard Schwarz, Kurt Schätzle, Winfried Riegel, Manfred Lieb und Martin Mono früher auf Sand kicken mussten. Halb so schlimm, sagen sie lächelnd im Rückblick. Schließlich war das die perfekte Vorbereitung auf den Triumph im herrlichen Lampertheimer Stadion. Heute vor 70 Jahren.


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